
Die Schweizer Privatbank neu definiert
October 17, 2014
Die globale Finanzkrise hat Vermögen von Kunden und Erlöse von Banken schrumpfen lassen. Volkswirtschaften wurden hart getroffen und verlangten nach Veränderungen. In der Folge ist das Bankgeheimnis erodiert. Schweizer Banker müssen jetzt Wege finden, auch ohne Bankgeheimnis zu überleben und Wachstum zu sichern.
Eingeschränkte Einkommen
Zum Glück zeichnet sich schrittweise eine wirtschaftliche Erholung ab. Doch Zinssätze kaum über Null üben Druck auf die Nettozinsmargen aus. Die Risikofreude von Investoren hat nach 2008 gelitten. Viele Banken meiden komplexe Investments zugunsten von konservativen Anlagen, mit geringeren Erträgen und geringeren Gebühren.
Auch neue Regulierungen in Bezug auf Offshore-Vermögen haben Schweizer Banken zugesetzt, die 2011 noch 27% des weltweiten Offshore-Markts kontrollierten. Ohne das Privileg des Bankkundengeheimnisses gibt es für Kunden wenig Anreiz, Gelder offshore zu halten, und viele holen ihre Vermögen zurück; in mehreren Ländern wird das durch Steueramnestien begünstigt. Andere Länder wiederum fordern nachträglich Steuern ein und verhängen Strafen.
Strengere Regulierung hat dazu geführt, dass sich Anleger verstärkt an unabhängige Vermögensverwalter (UVV) wenden, die nicht der gleichen Regulierung wie Banken unterworfen sind. Jedoch hat das Schweizer Bundesgericht in einer Entscheidung über Retrozessionen umfangreiche Offenlegungsvorschriften und die Abzeichnung durch Kunden festgelegt, wodurch ein beträchtlicher Teil des Einkommens unabhängiger Vermögensverwalter gefährdet ist.
Neue Anleger aus Osteuropa, Asien und Lateinamerika ersetzen einen Teil der verlorenen Kundschaft. Doch ohne den Vorteil Bankgeheimnis sind viele Schweizer Privatbanken einem härteren Wettbewerb ausgesetzt und gezwungen, Gebühren zu senken, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, Kunden zu verlieren.
Steigende Kosten
Von AML über FATCA und MiFID II bis Basel III: Reformen und Regulierung lassen die Kosten steigen; der Druck auf die Profitabilität nimmt zu. Gesetze gegen Geldwäscherei zwingen Banken, Kundenidentitäten abzuklären, die Absichten bestehender und neuer Kunden laufend zu überprüfen und bei verdächtigen Transaktionen die Behörden zu informieren. Banken, die im Verdacht stehen, Geldwäscherei zu dulden oder zu ermöglichen, drohen Strafen in Milliardenhöhe.
Die Zustimmung der Schweiz zum neuen US Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) zwingt Banken dazu, Name, Adresse, Steuernummer und Kontenbewegungen von US-Kunden an die US-Behörden zu melden.
Die EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II) verpflichtet Banken in Nicht-EU-Staaten, die EU-Standards einzuhalten, wenn sie Zugang zum EU-Markt haben wollen. Auch müssen Banken lokale Niederlassungen in allen Ländern unterhalten, in denen sie Kunden haben. Durch den Informationsaustausch in Steuerfragen in einem Umfang, der den Behörden „probat“ erscheint, wird der Rest an Privatsphäre des Kunden in Europa quasi eliminiert. Schliesslich werden Retrozessionen an Banken begrenzt, die sich zu “nicht unabhängigen Beratern” erklärt haben. Die Schweizer Finanzmarktaufsicht FINMA hat MiFID II übernommen, um sicherzustellen, dass Schweizer Banken weiterhin innerhalb der EU aktiv sein können.
Basel III ist eine Reaktion auf die Finanzkrise, um die Banken krisenresistenter zu machen. Um Basel III zu entsprechen, müssen Banken ihre Kapital- und Liquiditätsreserven erhöhen sowie die Verschuldung reduzieren, was insgesamt die Erträge mindert.
Tatsächlich sind die Compliance-Kosten so hoch, dass einige Banken Kunden aus bestimmten Ländern ablehnen müssen. Andere Banken haben zusätzliches Personal eingestellt, um Kunden zu helfen, die Auflagen zu erfüllen. Diese Compliance-Kosten sind wesentlich dafür verantwortlich, dass der Ertrag pro Mitarbeiter zwischen 2007 und 2011 um bis zu 40% gesunken ist.
Durch den automatisierten Informationsaustausch, gestiegene Compliance-Anforderungen und umfangreichere Steuerdeklarationen musste zudem in Informationstechnologie investiert werden.
Kurz gesagt: Die Kosten sind gestiegen, Volumina und Profitabilität gesunken. Schweizer Privatbanken haben also allen Grund, sich neu zu erfinden.
Den Vorteil Schweiz neu entdecken
Die Geschichte der Privatbanken in der Schweiz reicht mehr als 200 Jahre zurück, weit länger also das Bankgeheimnis von 1934. Einige der ersten Privatbanken gehören auch heute noch zu den führenden Instituten. Die Beständigkeit dieser Banken steht für sich. Der erste Schritt im Prozess, sich neu zu erfinden, ist, sich auf diese Wurzeln zu besinnen.
Die Schweiz ist weiterhin ein sicherer Hafen. Neutralität, politische Stabilität und ein liberaler Finanzmarkt fördern den Wohlstand; und die Stärke der Währung bietet Anlegern Schutz vor finanziellen Turbulenzen in anderen Teilen der Welt.
Schweizer Banken bieten Kundenbetreuung auf höchsten Niveau. Gebildet, kultiviert, mehrsprachig, diskret: auf Basis dieser Eigenschaften entwickeln Schweizer Privatbanken sehr persönliche, langfristige Beziehungen mit ihren Kunden in aller Welt.
Mit den Worten des Züricher Bankiers Hans J. Bär: “Für einen Kunden im Private Banking zählt die ganze Palette an Dienstleistungen, die er in Anspruch nimmt, weit über die eigentliche Vermögensverwaltung hinaus. Schweizer Private Banking beginnt an den drei internationalen Flughäfen in Zürich, Genf und Basel und setzt sich fort mit den Bahnhöfen und Luxushotels unseres Landes bis hin zur Confiserie Sprüngli. Schweizer Private Banking umfasst unsere Spitäler, Kultureinrichtungen, Medien, Rechtsanwälte, Geschäfte, Schulen, Universitäten und natürlich auch unsere Vermögensverwalter.“
Veränderte Geschäftsmodelle für strategisches Wachstum
Schweizer Privatbanken können auf die Tradition herausragender, langfristiger Kundenbetreuung bauen und neue, individuell zugeschnittene Produkte für ihre Kunden oder Kundengruppen entwickeln. Banken können z.B. Compliance von einer Last in einen Vorteil verwandeln, indem Schweizer Präzision und Verlässlichkeit auch auf Themen wie Steuererklärungen angewendet werden.
Banken können Ausgaben senken, indem sie Prozesse weiter automatisieren und das, was nicht zum Kerngeschäft gehört, an Dritte auslagern . Offshoring ist immer noch eine Möglichkeit, Geld zu sparen, trotz gestiegener Regulierung. Effizienzsteigerungen allein werden jedoch nicht für die nötige Liquidität und Manpower sorgen, um die Märkte zu erobern, in denen das grösste Wachstumspotenzial schlummert.
Asien bietet grosse Möglichkeiten. China ist im Begriff, die USA als größte Wirtschaftsmacht (unter Berücksichtigung der Kaufkraftparität) abzulösen. Mit steigendem Wohlstand wächst auch die Kundenbasis fürs Private Banking. Lateinamerika, Osteuropa und der Nahe Osten sind unterversorgte Märkte mit viel Raum für Wachstum. Investitionen in neue Niederlassungen schmälern jedoch die Gewinne auf Jahre hinaus, und wenn die Kundenzahl unter einem bestimmten Niveau bleibt, besteht sogar die Gefahr, dass sie sich nie amortisieren.
Zudem macht Basel III die Expansion in neue Märkte wegen der gestiegenen Kapital- und Liquiditätsanforderungen nicht leichter. Schweizer Privatbanken kommen deshalb um eine Konsolidierung nicht herum, wenn sie erfolgreich in neue Märkte expandieren wollen. Zusammenschlüsse und Übernahmen helfen, die kritische Masse zu erreichen und Skaleneffekte sowie einen höheren Bekanntheitsgrad am Markt und eine Diversifizierung von Kundengeldern zu erzielen. Jedoch sind Grössenvorteile immer abzuwägen mit möglichen Reputationsverlusten und Veränderungen in der Führungs- und Unternehmenskultur, die ein Risiko für die Identität einer Bank darstellen.
Von Regulierung und neuen Geschäftsmodellen bis hin zu Kosten und Konsolidierung: Schweizer Privatbanken stehen vor ausserordentlich grossen Herausforderungen in einem Markt, der in seiner Volatilität und dem Konkurrenzdruck langfristige Planungen erschwert.
Stabilität durch starke Partnerschaften
Versicherer können für Banken starke Partner sein, die ihnen zu der Widerstandsfähigkeit verhelfen, die sie brauchen, um sich neu zu definieren.
Zehn Schweizer Banken gehören zur Vereinigung Schweizerischer Privatbankiers, bei der Partner traditionell unbeschränkt persönlich haftbar waren. Jedoch kann die Haftpflicht von Privatbankiers enorme private und familiäre Härten nach sich ziehen. Das hat dazu geführt, dass aus vier der zehn Banken Kapitalgesellschaften wurden, nicht zuletzt wegen der Bedrohung durch Steuerklagen aus den USA. Eine Organhaftpflichtversicherung für Verwaltungsräte und Geschäftsleitungsmitglieder (D&O-Versicherung) ist deshalb aus gutem Grund zum Standard geworden.
Die regulatorischen Veränderungen setzen Banken einer ganzen Reihe möglicher Klagen aus, ob berechtigt oder nicht. Eine Berufshaftpflichtversicherung schützt vor Forderungen aus einer Vielzahl möglicher Vorwürfe, von falscher Anlageberatung über Missmanagement von Kundenvermögen und zu Abwicklungsfehlern beim Handeln an den Finanzmärkten.
Die Vertrauensschadenversicherung schützt Banken vor Straftaten von Angestellten wie Veruntreuung. Auch Computerkriminalität ausgehend von Dritten und Fälschung wird damit gedeckt.
Die Versicherung gegen Cyber-Angriffe ist immer wichtiger geworden, weil Banken immer häufiger Ziele von Hackerangriffen und Phishing-Betrug sind. Die Vertrauensschaden- und Berufshaftpflichtversicherungen decken einen Teil der Cyber-Risiken ab. Aber zwei wichtige Gefährdungen sind nicht enthalten: Schäden durch Datenschutzverletzungen und Geschäftsunterbruch. Diese Risiken werden über separate Cyber-Versicherungs-Policen gedeckt.
Die IT-Systeme der Banken werden komplexer, um den steigenden Informationsabfragen seitens der Kunden – immer häufiger über mobile Endgeräte – gerecht zu werden. E-Banking wird immer populärer. In dem Masse, in dem die Zahl der Dateneingabepunkte steigt, steigt auch das Risiko des Datenmissbrauchs von unbekannten oder nicht getesteten Quellen.
Versicherer können Schweizer Privatbanken mit ihrer Erfahrung in der Schadenbehandlung ein wichtiger Partner sein, wenn es darum geht, Risiken zu erkennen und zu bewerten. Ein globaler Versicherer kann zudem auch die länderspezifischen Unterschiede in der Regulierung berücksichtigen und die damit einhergehenden unterschiedlichen Länderrisiken absichern.
Die neue Schweizer Privatbank
Schweizer Privatbanken sind im Begriff, sich neu zu erfinden. Ihr Überleben wird davon abhängen, ob es gelingt oder nicht. Versicherer können ihnen dabei zur Seite stehen und unterstützen, Risiken richtig einzuschätzen und sich im Kontext gesellschaftlicher, politischer und technologischer Veränderungen darauf einzustellen.
Hendrik Jauer ist Head of Financial Lines bei XL Group in der Schweiz.
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