
Digitalisierung in der Versicherungssparte: Trends und Innovationen
Fragen und Antworten mit Georges Desvaux, Chief Strategy and Business Development Officer bei AXA, und Scott Gunter, CEO bei AXA XL
June 21, 2022
Anlässlich der 6. Ausgabe von Viva Technology, Europas wichtigstem Startup- und Tech-Event, äußern sich Georges Desvaux und Scott Gunter zum Thema Digitalisierung in der Versicherungsbranche und stellen die neue Digital Commercial Platform von AXA vor.
Digitalisierung ist der Trend in fast allen Wirtschaftssektoren weltweit, so auch im Versicherungswesen. Welche Ambitionen hat AXA im Bereich Daten und Digitalisierung und wie fügen die sich in die Gesamtstrategie der Gruppe ein?
Georges: Unsere Kundinnen und Kunden erwarten von AXA eine echte Partnerschaft, die mehr bietet als "nur" Versicherung. Sie erkennen, dass sich die Welt und die Risikolandschaft in einem noch nie dagewesenen Tempo verändert. Daten und digitalisierte Prozesse ermöglichen es uns, Lösungen für diese neue Herausforderungen zu bieten. Sowohl bei der AXA Gruppe als auch bei ¾ÅÉ«ÊÓÆµist es unser Ziel, neue Dienstleistungen anzubieten, die die traditionelle Versicherung ergänzen und unsere Kunden noch besser schützen. Zusammen mit unseren Kunden sind wir dabei, die eigene Vision von einem Versicherer bei jedem einzelnen Schritt der Zusammenarbeit zu verändern: vom Zahlungspflichtigen zum echten Partner («from payer to partner»).
Die digitale Innovation ist dabei das Herzstück von ‘Driving Progress 2023’, unserer Gruppenstrategie. Ohne sie wäre es uns nicht möglich, unsere strategischen Ziele zu erreichen. Ein Beispiel: Die Poseidon-Plattform von ¾ÅÉ«ÊÓÆµermöglicht die Überwachung von Frachtschiffen in Echtzeit. So können wir unseren Kunden einen umfassenden Überblick über ihre Vermögenswerte und deren aktuellen Gefährdungsgrad anbieten. Gleichzeitig können wir die Versicherungsnehmer mit Echtzeit-Warnungen sowie Empfehlungen unserer Risikospezialistinnen und -spezialisten versorgen.
AXA hat kürzlich eine ‘Digital Commercial Platform’ (DCP) eingeführt. Ist dies ein zentraler Bestandteil der ‘Driving Progress’ Strategie?
Scott: Die DCP verkörpert in vielerlei Hinsicht die ‘Driving Progress 2023’ Strategie, die Georges erwähnt hat. Mit der DCP werden wir nicht nur unsere Dienstleistungen für unsere Unternehmenskunden erweitern, ausbauen und gleichzeitig das Kundenerlebnis verbessern, sondern auch den Schutz, den wir als Versicherer bieten, stärken und zur Nachhaltigkeit beitragen. Es ist unser Ziel, eine innovative globale Lösung zu entwickeln, die unseren Kunden im Bereich Unternehmensversicherung durch Schutz und Prävention - nicht nur Ersteres - einen Mehrwert bietet. Wir sind uns bewusst, dass der traditionelle Versicherungsschutz nicht mehr die einzige Antwort auf die wachsenden und sich verändernden Risiken unserer Kunden ist.
Welche Faktoren haben Ihrer Meinung nach zu dieser Schwerpunktverlagerung auf die Prävention beigetragen?
Georges: Zwei wichtige Trends sind zusammenkommen und haben den Ausschlag gegeben: die zunehmende Komplexität der Risiken, mit denen wir als Gesellschaft konfrontiert sind, und die ständig wachsende Verfügbarkeit von Daten und Instrumenten der künstlichen Intelligenz. In gewisser Weise bedingt das eine das andere. Unser Ziel als kommerzieller Versicherer ist es, Unternehmen bei ihrer Geschäftstätigkeit zu unterstützen, indem wir sie vor Gefahren schützen. Mit der rasanten Wirtschaftsentwicklung entstehen jedoch zahlreiche neue Risiken, beispielsweise die zunehmenden Infrastrukturschäden von Naturkatastrophen oder die Exponierung im Bereich Cybersicherheit. Der Präventionsaspekt wird deshalb nebst dem klassischen Risikotransfer noch wichtiger werden, um das Schadenpotenzial im Zaum zu halten und so unserer Partnerrolle gerecht zu werden.
Scott: Dem kann ich nur beipflichten. Wir haben Zugang zu einer enormen Menge an Daten und neuen Technologien wie Satelliten, Drohnen und Sensoren, um unerwünschte Schadenereignisse in Echtzeit zu bewerten und sogar "vorherzusagen". Mit diesen Instrumenten können wir unseren Kunden, von denen viele zu den größten Unternehmen der Welt gehören, heute auf eine Art und Weise zur Seite stehen, die wir uns früher nicht hätten vorstellen können.
Georges: Deshalb ist die Umstellung auf Prävention nicht nur machbar sondern auch entscheidend geworden. Wie ich bereits erwähnt habe, glaube ich, dass Prävention dank vorausschauenden Technologien in bestimmten Versicherungssektoren alltäglich werden wird, nicht nur aus interner Sicht betrachtet. Gespräche mit unseren Kunden in den letzten Jahren haben ergeben, dass Prävention ein immer wichtigerer Teil der Zusammenarbeit wird und die überwiegende Mehrheit von ihrem Versicherer erwartet, dass er ihnen hilft, die Risiken in ihrem Unternehmen zu mindern, unabhängig von der Branche.
Wie genau werden Ihrer Meinung nach präventive Technologien die Versicherungslandschaft in Zukunft verändern? Mit welchen Fortschritten ist zu rechnen?
Georges: Nehmen wir Gewerbebauten als Beispiel. Es ist leicht, sich eine nahe Zukunft vorzustellen, in der vollständig vernetzte, intelligente Gebäude Brandrisiken selbst melden und nötige Unterhaltsarbeiten anfordern können; auf der Grundlage von Daten aus Hunderten von Sensoren die durch künstliche Intelligenz analysiert und ausgewertet werden. Ein eigentliches kollektives "Bewusstsein" für den Anlagen- und Gebäudezustand. Da die KI-Technologie zur Massenware werden wird, wird es unzählige Anwendungen geben, um ihre Vorhersagekraft besser zu nutzen. Gut vorstellbar, dass jedes Haus irgendwann Zugang zu einer solchen Technologie haben wird. Dies würde die Beziehungen der Versicherer zu ihren Kunden nachhaltig verändern: weg vom heutigen Modell, bei dem die Versicherer in erster Linie als Zahlungspflichtige betrachtet werden, die nur nach einem Schadenfall oder einer Katastrophe involviert werden, hin zur Partnern bei der kontinuierlichen Risikominderung.
Scott: Wir werden wahrscheinlich eine Zunahme digitaler, aus der Ferne erbrachter Dienstleistungen erleben. Mit der DCP bauen wir im Grunde eine Plattform für Versicherungs- und Risikomanagementdienstleistungen auf, die unser Leistungsversprechen und die Art und Weise, wie wir unsere Kunden unterstützen, nachhaltig verändern wird. Unserer Meinung nach werden die Kunden diese Dienstleistungen zunehmend benötigen und von ihrem Versicherungspartner erwarten. Dies gilt nicht nur für materielle, sondern auch für digitale Vermögenswerte. Wir sind zwar heute mit größeren Cybersicherheitsrisiken konfrontiert als je zuvor, haben allerdings auch mehr Möglichkeiten, digitale Hilfsmittel einzusetzen und zu unserem Vorteil zu nutzen.
Könnten Sie ein paar Beispiele von Dienstleistungen nennen, die diese Plattform unterstützen? Wie kommen diese den Kunden konkret zugute?
Scott: Die DCP setzt sich aus zwei Teilen zusammen: AXA Smart Services, ein offenes Ökosystem von Diensten, die von AXA oder Partnern entwickelt wurden, ist der eine Teil. Er richtet sich sowohl an die Unternehmenskunden von AXA als auch an die internen Nutzerinnen und Nutzer von AXA wie Underwriter, Pricing-Teams usw.
Wie Georges bereits erwähnt hat, sind miteinander vernetzte Gebäude ein Schwerpunkt für uns. Im Laufe der Zeit können gewerblich genutzte Gebäude und Anlagen weniger effizient werden, was sie anfälliger für unsichtbare Risiken macht. In aktuellen Zeiten, in denen ein Gebäude nicht oder nur teilweise belegt ist, können diese Risiken zudem noch größer werden.
Wir haben aus dem Grund den Dienst ‘Digital Risk Engineer’ entwickelt, der die Technologie des Internets der Dinge (Internet of Things - IoT) nutzt, um den Zustand von Anlagen und Gebäuden auf der ganzen Welt aus der Ferne zu überwachen. Ein einfach zu installierendes Gerät wird nahtlos in ein Gebäude integriert, um Echtzeitdaten von angeschlossenen Systemen wie Energie, Wasser, Heizung, Lüftung und Klimaanlage (HVAC) zu erfassen.
Die Daten und Erkenntnisse sind für unsere Kunden und AXA-intern über ein Online-Dashboard zugänglich. Das individuell konfigurierbare, zentralisierte Dashboard liefert einen ganzheitlichen Überblick über alle Gebäude-, Produktionsstandorte und Anlagen. Es warnt unsere Kunden vor Problemen und potenziellen Gefahren und kann die Leistung verschiedener Standorte miteinander vergleichen. In einem konkreten Beispiel hat sich das Tool bereits als äußerst wertvoll erwiesen: So konnte ein Kunde sechs größere Schwachstellen in seinem Standortbetrieb identifizieren und beheben, wodurch er schätzungsweise 165.000 Euro für künftige Reparaturen einsparen konnte. Zudem verhalf ihm das Tool, nach nur dreimonatigem Einsatz 15 % beim Stromverbrauch einzusparen.
Wir arbeiten auch an der Ausweitung unserer Nutzung von ‘Location Intelligence’, um bessere Einblicke in die von uns abgedeckten Vermögenswerte und die Risiken, denen sie ausgesetzt sind, zu erhalten. So können wir effizienter und effektiver mit unseren Kunden zusammenarbeiten und deren Risiken in Echtzeit noch spezifischer zu identifizieren.
Der zweite Teil der DCP ist AXA Climate, ein offenes Ökosystem, das sich auf Wissenschaft, Daten und Technologie stützt und unseren Unternehmenskunden eine Reihe von Dienstleistungen bietet, darunter Schulung, Beratung, Versicherung und Finanzierung. Ziel ist es, sowohl traditionelle Dienstleistungen anzubieten, um Kunden bei der Verbesserung ihrer Nachhaltigkeit zu unterstützen, als auch innovative Lösungen zu entwickeln, um Geschäftsbetriebe, Ernteerträge und natürliche Ökosysteme mit Hilfe von standortspezifischen, wissenschaftlichen und satellitengestützten Daten zu schützen.
Georges: Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass die DCP dazu beitragen wird, unsere bestehenden Dienstleistungen und die Kapazitäten und Möglichkeiten unserer internen Teams zu verbessern, sei es im Underwriting, in der Preisgestaltung, in der Schadenbearbeitung etc. Die neuen Erkenntnisse und Daten, die wir durch die DCP gewinnen, werden es uns ermöglichen, kontinuierliche Verbesserungen zum Wohle unserer Kunden und unserer internen Prozesse zu erreichen.
Welche anderen bedeutenden Risiken können durch KI, Daten und ein digitales Versicherungsökosystem angegangen werden?
Georges: Man kann sich viele Anwendungen und potenzielle Vorteile vorstellen, von der Verhinderung von Autounfällen und Gebäudebränden bis hin zur Verringerung von Ernteverlusten durch effiziente Ressourcenzuteilung. Aber die vielleicht wirkungsvollste Anwendung eines digitalen Versicherungsökosystems ist die Absicherung gegen technologische Risiken selbst.
Scott: Ich möchte hinzufügen, dass wir mit COVID-19 eine noch nie dagewesene Unterbrechung der globalen Lieferketten erlebten, die immer anfälliger geworden waren. Es entstanden immer längere Ketten, die nach Just-in-Time-Lieferplänen mit wenig Spielraum für Verzögerungen funktionieren müssen. Durch KI- und ähnliche Technologien bietet sich nun die Gelegenheit, Schwachstellen in globalen Lieferketten oder ähnlichen komplexen Systemen zu erkennen und Probleme, wie wir sie in den letzten zwei Jahren erlebt haben, dementsprechend zu entschärfen.
Welche Auswirkungen könnten Technologien wie die DCP auf die Gesellschaft im Allgemeinen haben?
Georges: Mit den Plattformen Smart Services und AXA Climate bauen wir eine Open-Source-Infrastruktur auf, welche die gemeinsame Nutzung von Daten ermöglicht. Im Laufe der Zeit wird uns dieses offene Ökosystem ermöglichen, sowohl unseren Kunden als auch anderen externen Stakeholdern Erkenntnisse zu einer Vielzahl von Problemstellungen zu liefern. Unser Ziel ist es, über das "einfache" Risikomanagement und die Risikoprävention hinauszugehen und einen gesellschaftlichen Nutzen zu schaffen: Beispielsweise, um das Auftreten von Waldbränden oder Überschwemmungen vorherzusehen, damit Gemeinschaften geschaffen werden können, die strategisch widerstandsfähiger gegen den Klimawandel sind. Oder dank Dienstleistungen in Echtzeit, die in Schwellenländern oder instabilen Märkten einen Beitrag leisten, deren finanzielle Stabilität zu stärken. Ganz im Zeichen unseres Credos: «Act for human progress by protecting what matters». Es ist uns ein Anliegen, die uns zur Verfügung stehenden Daten und digitalen Instrumente produktiv einzusetzen, um deren Nutzen für alle zu maximieren.
Scott: Das ist definitiv unser langfristiges Ziel: eine Plattform zu entwickeln, die Risiken mindern kann und gleichzeitig zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen allgemeiner Natur beiträgt.
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