

Kunstsammlungen von Unternehmen und die Verbesserung des Arbeitsumfelds

March 17, 2023
Von Jennifer Schipf
Global Chief Underwriting Officer – Fine Art & Specie at AXA XL
Die weltweit erste Kunstsammlung für Unternehmen wurde von der Banca Monte dei Paschi di Siena (Banca MPS) im späten 15. Jahrhundert angelegt, nachdem ihre Eigentümer einige lokale Künstler mit der Anfertigung von Gemälden zur Ausschmückung ihrer Büros beauftragten. Die 1472 gegründete Banca MPS ist die älteste noch existierende Bank der Welt. Ihre gut erhaltene Sammlung umfasst Werke des aus Siena stammenden Künstlers Pietro Lorenzetti, des britischen Bildhauers Henry Moore sowie die berühmten Biccherna-Tafeln – eine Reihe von Holztafeln, die zum Binden der Buchhaltungsunterlagen von Siena verwendet wurden.
Ursprünglich war die Sammlung nur für die Eigentümer der Banca MPS und und die Werke wurden nicht öffentlich ausgestellt. Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute ist die Sammlung mehrmals im Jahr für die Öffentlichkeit zugänglich. Die derzeitige Leitung der Bank betrachtet ihr außergewöhnliches künstlerisches Erbe als einen großen Schatz, der mit der Gemeinschaft geteilt werden soll. Dies spiegelt auch wider, wie die Unternehmen die Vorteile des Sammelns von Kunst im weiteren Sinne erkannt haben.
Kunst am Arbeitsplatz
In der Moderne war David Rockefeller einer der ersten Unternehmenslenker, der die unzähligen Vorteile der Präsentation von Kunstwerken in den Büros eines Unternehmens erkannte. Im Jahr 1959 rief er als Vorsitzender und CEO bei der Chase Manhattan Bank das Programm „Kunst am Arbeitsplatz“ ins Leben. Er war der Überzeugung, dass die in öffentlichen Räumen und Arbeitsbereichen ausgestellten Kunstwerke aussagekräftige Botschaften über den einzigartigen Stil, Geist und Charakter eines Unternehmens vermitteln können. Oder, wie er es ausdrückte: „Kunst erhöht die Erfahrung, in unserer Firma zu arbeiten und mit ihr Geschäfte zu machen“. Rockefeller war auch ein anspruchsvoller Käufer - was nicht überrascht, da seine Mutter Abby 1929 an der Gründung des Museum of Modern Art beteiligt war. Er veranlasste, dass sich das Programm auf aufstrebende, sich entwickelnde und wenig anerkannte Künstler konzentriert. Andere Unternehmen folgten diesem Beispiel. Mitte der 1990er Jahre sammelte etwa die Hälfte der Fortune-500-Unternehmen in den USA aktiv Kunst, ebenso wie viele große europäische Unternehmen.
Wie damals im 15. und 16. Jahrhundert finden sich auch heute einige prominente Banken auf der Liste der namhaften Firmensammlungen. So besitzt die Deutsche Bank die weltweit umfangreichste Sammlung mit mehr als 70.000 Objekten, von denen 90 Prozent von aufstrebenden Künstlern geschaffen wurden. Der Star der Sammlung, Gerhard Richters kolossales Abstraktes Gemälde (Faust), ist jedoch nicht mehr in der Lobby der Bank an der Wall Street zu sehen; es wurde 2019 aus der Öffentlichkeit entfernt. Die UBS besitzt ebenso eine beeindruckende Sammlung von 35.000 Gemälden, Fotografien, Zeichnungen, Drucken und Skulpturen; darunter Werke von Lucian Freud, Jean-Michel Basquiat und Roy Lichtenstein. Und dann ist da noch JPMorgan Chase. Die ursprünglich im Rahmen des Programms „Art at Work“ von Rockefeller erworbenen Werke bilden den Kern der 30.000 Werke umfassenden Sammlung moderner und zeitgenössischer Gemälde, Skulpturen, Arbeiten auf Papier und Fotografien. Diese vielfältige Sammlung umfasst Werke von Künstlern aus allen Ländern, in denen die Bank tätig ist, sowie Meisterwerke von Sol LeWitt, Robert Rauschenberg und Andy Warhol.
Auch führende Technologieunternehmen haben mit dem Aufbau von Unternehmenssammlungen begonnen – oftmals mit einem innovativen Ansatz. So hat beispielsweise Meta, das Unternehmen, zu dem Facebook, Instagram und WhatsApp gehören, ein Artist-in-Residence-Programm ins Leben gerufen, bei dem lokale Künstlerinnen und Künstler mit Mitarbeitenden zusammenarbeiten, um Kunstwerke für ihre Büros zu entwerfen und zu schaffen. In ähnlicher Weise hat Apple lokale Kunstschaffende mit der Gestaltung einzigartiger Wandgemälde für seine Büros auf der ganzen Welt beauftragt und die Mitarbeitenden werden ermutigt, über potenzielle neue Kunstwerke und Installationen abzustimmen. Das Mitarbeiter-Engagement ist auch ein zentrales Element der Microsoft-Kunstsammlung. Eine Gruppe von Mitarbeitenden begann 1987, im Namen des Unternehmens Kunst zu sammeln. Die 5.000 Stücke umfassende Sammlung konzentriert sich hauptsächlich auf zeitgenössische Kunst und umfasst Werke von Takashi Murakami, Cindy Sherman und Chuck Close.
Verbesserung des Arbeitsumfelds
Kunstsammlungen von Unternehmen spielen heute eine wichtige Rolle bei Strategien zur sozialen Verantwortung von Unternehmen und bei Wellness-Programmen für Mitarbeitende. Laut Chiara Paolino, einer italienischen Wissenschaftlerin, welche italienische Firmenkunstsammlungen erforscht hat und Mitautorin von Innovating Business with Art: The Fondazione Ermanno Casoli Method, sind Kunstsammlungen von Unternehmen nicht mehr nur eine Investition in Leidenschaft und Markenbildung, sondern werden heute weithin als eine Verbesserung der Qualität des Arbeitsumfelds angesehen, die sich direkt auf die soziale und wirtschaftliche Gesundheit eines Unternehmens auswirken kann.
Darüber hinaus spielen Unternehmen als Sammler eine wesentliche Rolle auf dem globalen Kunstmarkt, die allen Bereichen des Ökosystems zugutekommt: Künstler, Händler, Organisatoren von Kunstmessen, Berater, Gutachter, Restauratoren und sogar Versicherer haben von dem Wunsch der Unternehmen profitiert, die „Qualität des Arbeitsumfelds“ zu verbessern.
Unterstützung lebender Künstler
Obwohl die Kunsteinkäufer von Unternehmen unterschiedliche Stile und Ansätze haben, ist ein bemerkenswerter Trend die Investition in Werke lebender Künstlerinnen und Künstler. Oder wie es der Kurator einer langjährigen Unternehmenssammlung ausdrückt, ist eine wichtige Priorität, so zu sammeln, dass die Künstler davon profitieren. Dieser Ansatz führt dazu, dass moderne und zeitgenössische Künstler in vielen Unternehmenssammlungen überproportional vertreten sind. Die Gründe dafür sind natürlich nicht rein altruistisch und umfassen wahrscheinlich auch Überlegungen wie Ästhetik, Kosten und die Möglichkeit, Kunstwerke von lebenden Künstlern in Auftrag zu geben und individuell zu gestalten.
Unabhängig davon sind die Folgen für lebende Künstler, deren Werke von Unternehmen erworben werden, durchweg positiv. Eine Untersuchung der School for Cultural Analysis der Universität Amsterdam über die Kunstsammlungen niederländischer Unternehmen ergab, dass viele Unternehmenssammlungen, von multinationalen Konzernen bis hin zu gemeinnützigen Organisationen, „Avantgarde“-Kunst von Künstlerinnen und Künstlern präsentieren, die gerade erst in den Kunstmarkt eintreten und erhöhen so die Chancen dieser Künstler, kanonisiert und als Teil des niederländischen Kulturerbes anerkannt zu werden. Die Untersuchung der Universität ergab auch, dass Firmensammlungen bis zu 20 Prozent der Nachfrage nach zeitgenössischer Kunst in den Niederlanden ausmachen. Chiara Paolino bestätigt diese Ergebnisse. Demnach könne aus der Sicht von Künstlerinnen und Künstlern die Zusammenarbeit mit einem Unternehmen zu wichtigen Lebens- und Entwicklungschancen führen, da sie ihm die Freiheit biete, Kunst in einem neuen Kontext zu erfahren, was wiederum Vorteile für nachfolgende Projekte bringen kann.“
Schutz wertvoller Vermögenswerte
Wie bei anderen wertvollen Unternehmensgütern auch sollten Unternehmen angemessene Maßnahmen zum Schutz und Erhalt ihrer Kunstwerke ergreifen. Für Firmen- und Privatsammler empfehlen wir eigenständige Kunstversicherungen, die auf ihre besonderen Bedürfnisse und Umstände zugeschnitten sind. Dies liegt daran, dass die meisten allgemeinen Sachversicherungen keine Kunstwerke decken, die während des Transports beschädigt oder zerstört werden, was jedoch die häufigste Schadensart ist. Darüber hinaus begrenzen die Selbstbeteiligungen in Sachversicherungen oft die Entschädigung für Werke, die durch Rauch oder Wasser beschädigt wurden, was die zweithäufigste Schadensart darstellt. Zu den weiteren Vorteilen eines eigenständigen Deckungsschutzes durch einen erfahrenen Kunstversicherer gehören Beratungsdienste zur Bewältigung neuer Risiken, z.B. im Zusammenhang mit Online-Kunstverkäufen, und der schnelle Zugang zu Sachverständigen sowie Restaurierungsspezialisten.
Obwohl Diebstahl im Allgemeinen ein geringeres Risiko darstellt, vor allem angesichts der Verbreitung von Videoüberwachungssystemen, kommen insbesondere kleinere Kunstwerke gelegentlich abhanden. Wir empfehlen daher auch Unternehmen mit umfangreichen Beständen, insbesondere solchen mit hochwertigen Werken bekannter Künstler, ihre Sicherheitssysteme und -verfahren regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen zur Abschreckung potenzieller Diebe zu ergreifen.
Schließlich sollten Unternehmen – wie auch private Sammler – ihre Kunstwerke etwa alle drei bis fünf Jahre neu bewerten lassen. Denn nur weil ein Werk zum Zeitpunkt des Kaufs einen bestimmten Wert hatte, heißt das nicht, dass dies auch sein heutiger Wiederbeschaffungswert ist.
In dem modernen Arbeitsumfeld von heute, das vor allem auf Effizienz und Produktivität ausgerichtet ist, zeigt sich, dass der Besitz und die Ausstellung von Kunst den Unternehmen in vielerlei Hinsicht Vorteile bringen, z.B. in Bezug auf Markenbildung/Promotion, Wohlbefinden der Mitarbeitenden und soziale Verantwortung des Unternehmens. Mit den richtigen Präventivmaßnahmen und dem richtigen Schutz können die Firmenkunstsammlungen von heute von zukünftigen Generationen genossen werden, so wie die der Banca MPS von den Menschen heute.
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